Wenn man dem bunten computergenerierten Bild glauben kann, mit denen die Architekten ihre Vorhaben schmackhaft machen, dann entstehen am Beuler Rheinufer demnächst drei Gebäude mit schrägen Fronten und großen Glasflächten. “Der Bonner Bogen findet Abschluss”, meldete diesbezüglich der General-Anzeiger. Mit der Alliteration “Bonner Bogen” wird seitens seiner Macher neuerdings ein rechtsrheinisches Neubaugebiet bezeichnet. Auch die Namen neuer Stadtteile werden nämlich heute nicht mehr dem Zufall, sondern dem Marketing überlassen.
Ältere unter uns erinnern sich: „BB“ stand früher für die Initialen von Brigitte Bardot und war somit ein Kürzel für Erotik. Ob der neue Komplex für irgendein Gefühl steht außer der Ohnmacht gegenüber fortschreitender Bebauung, ist die Frage. Das Baugebiet liegt jedenfalls exponiert am Rheinufer, wo einst ein Zementwerk stand und das neue Polizeipräsidium nicht weit ist. Es besteht nahezu ausschließlich aus Verwaltungstrakten sowie einem Luxushotel. Also ein Tummelplatz für jene „Investoren“, mit denen die Stadt Bonn gerade in jüngster Zeit so reiche Erfahrungen sammeln konnte, etwa beim „World Congess Center“ oder bei der „Südüberbauung“ gegenüber dem Hauptbahnhof.
Eins scheint jedenfalls klar: Ohne kreative Namensgebung läuft heute gar nichts mehr. Schließlich wurde auch das erwähnte Hotel worterfinderisch aufgewertet. Es heißt „Cameha Grand“. Da mag mancher an eine arabische Wüstenoase, andere vielleicht eher an eine Haarspray-Marke denken. Wie auch immer. Bei so geballter Sprachphantasie konnten die Verantwortlichen des neuen Bauabschnitts natürlich nicht hintanstehen: “Büro Campus Rheinwerk 3″ nennen sie ihr Vorhaben – eine Wortcollage mit akademischen (Campus) und industriellen (Werk) Anklängen. Und erinnert nicht die „3“ am Ende an diese (mehr oder weniger erfolgreichen) Fortsetzungsfilme aus Hollywood? Um Illusionen geht es ja auch hier.
Synthetische Namen für synthetische Orte – ist das die Logik, die hinter der ganzen Wortschöpferei steht? Und so geht es weiter. Federführend für das Bauareal sind nämlich zwei Firmen namens “BonnVisio” und “Renum”. Klingt doch auch nicht schlecht. Ich sag jetzt mal nicht, an welches Toilettenprodukt ich dabei denken muss. Aber mal ehrlich. Menschen mit so viel Sprachphantasie, die müssen doch einfach topp sein. Der glückliche Mieter der neuen Großimmobiele ist eine Softwarefirma. Und die bezieht nicht etwa Räume oder ein Haus, nein, es ist ein “Riegel”. Was wir bisher hauptsächlich aus der Schokoladenbranche und dem Strafvollzug kannten. Was lernen wir aus diesem kleinen Sprachfeuerwerk? Architekturbüros und Projektentwickler müssen heutzutage nicht nur was bauen, sondern wahre Wortjongleure sein und – na klar! – eine “Gestaltungsphilosophie” ihr eigen nennen. Ohne sowas geht es es einfach nicht mehr. Gottseidank gibt es ja an der hiesigen Uni eine philosophische Fakultät. Da kann man vielleicht öfter ein bisschen spingsen.
Und diese offenbar sprachlich und philosophisch gestützte Projektstatik sorgt dann dafür – aufgepasst! -, “möglichst vielen Nutzern die Sichtbeziehung zum Rhein erlebbar zu machen”. Was wohl heißen soll, dass viele, die dort arbeiten, auf den Rhein gucken können. Das ist natürlich was sehr Schönes und steigert überdies die Quadratmeterpreise. Der “breite Mietermix”, den sich angeblich alle wünschen, dürfte dadurch allerdings wierum stark reduziert werden. Übrigens sind die drei “Riegel” 14 Meter breit und etwa 100 Meter lang, können sich also wahrlich sehen lassen. bp
Der Artikel in voller Länge:
Der Bonner Bogen findet Abschluss. Bauarbeiten für Rheinwerk 3 beginnen im März. SER hat Mietvertrag unterschrieben
Der Baustart für Büro Campus Rheinwerk 3 mit 20800 Quadratmetern vermietbaläche soll im März 2012 erfolgen. Er wird den rechtsrheinischen Standort Bonner Bogen nach Nordlen hin abschließen. Der erste Mietvertrag über 5 511 Quadratmeter Bürofläche wurde jetzt mit dem europaweit tätigen Software:ern SER geschlossen, so Sprecherin Gisela Tindier-Nowak vom Projektentwickler BonnVisio. Rheinwerk 3 ist ein Gemeinschaftsprojekt der BonnVisio und der Renum Projektgruppe. Der SER-Konzern mit derzeit 370 Mitarbeitern am Standort Neustadt/Wied wird den Gebäuderiegel beziehen, der an den Büro Campus Rheinwerk 2 angrenzt. Der Mietvertrag wurde auf 13 Jahre abgeschlossen; die Übergabe der Büroräume soll im Juli 2013 erfolgen. Der deutschlandweit bedeutendste Anbieter von Software für den Austausch und die Verwaltung von Dokumenten will weiter wachsen. „Die zentrale Lage am Bonner Bogen und unmittelbar am Rhein ist sowohl für Kunden als auch für unsere Mitarbeiter ein attraktiver Standort”, sagt SER-Geschäftsführer Kurt-Werner Sikora. Rheinwerk 3 entsteht auf einem 23 000 Quadratmeter großen Grundstück, das die Projektgesellschaft Rheinwerk 3 von der LEG Stadtentwicklung erworben hat. Architektonisch ist auch dieser Entwurf geprägt von der Gestaltungsphilosophie des Gesamtstandortes, für möglichst viele Nutzer die Sichtbeziehung zum Rhein erlebbar zu machen. Für Rheinwerk 3 hat das Architekturbüro Karl-Heinz Schommer die Vorgabe durch drei langgezogene Gebäudekörper gelöst, die sich zum Strom trapezförmig auffächern. Zusätzliche Dynamik erhält der Büro Campus durch komplett verglaste, abgeschrägte Gebäudeköpfe an der Rheinufer-Promenade. Die fünfgeschossigen Riegel sind gut 14 Meter breit und zwischen 95 und 134 Meter lang. Unterschiedlich angeordnete Erschließungskerne ermöglichen Mietflächen, die bei etwa 200 Quadratmetern beginnen. „Unser Ziel ist es, einen möglichst breiten Mietermix zu erreichen”, sagt Rheinwerk-3 Geschäftsführer Ludwig Frede. Im Tiefgeschoss von Rheinwerk 3 entstehen 277 Pkw-Stellplätze.
General-Anzeiger, Bonn 18.10.2011