Viktoria würde im Karree springen

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Das Kunst(stoff)fenster im neuen Viktoriabad von 1970 ist eine Rarität

Das sogenannte „Viktoria-Karree“ ist eine perfide Wort-Erfindung der Viktoria-Karree Immobilien GmbH & Co. KG, die der Signa Real Estate gehört Und die „besitzt und managt ein umfassendes Bestandsportfolio an außergewöhnlichen Immobilien“, klärt ihre Website auf. Eins davon ist ein innerstädtischer Baublock, der direkt an der Bonner Uni liegt. Das nennt man Filetstück (und wetzte schon die scharfen Investitionsmesser). Den Block will man ja bekanntlich abreißen, um Platz für ein dreistöckiges Kaufhaus zu schaffen.

Hurra, die Abrissbagger kommen! Das wollen auch alle, die den Kommerz lieben, wie zum Beispiel Herr Großkotz von der IHK. Das wollen alle nicht, die die gewachsene Stadt lieben und sich dafür in den letzten Monaten stark gemacht und kräftig Unterschriften gesammelt haben

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Viktoria von Preußem, diejenige welche

Mit der schönen Wortschöpfung „Viktoria-Karree“ sollte also der drohende Kahlschlag, den man einigermaßen geschickt eingefädelt hatte, mit sprachlichem Honig garniert werden. Ganz schön trickreich. Was hätte wohl die Original-Viktoria, deren Name hier marketingtechnisch missbraucht wurde, dazu gesagt? Die Schwester von Kaiser Wilhelm zwo, der bekanntlich in Bonn studiert hat, fand es am Rhein so schön, dass sie hier lieber wohnen wollte als an der Spree. Sie verlieh der damals schon etwas verschlafenen Universitätsstadt ein wenig exzentrisches Flair. Die Gute fuhr sogar Auto und liebte einen hübschen Scharlatan mit rusischem Namen.

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Kein Jugendstil! Vestibül des ersten Viktoriabades

So hat man ihr das erste Bonner Hallenbad gewidmet. Ein luxuriöses Bauwerk, das zum stinkreichen Bonn passte. Und sehr modern ist es auch gewesen. Es gab sogar ein Schwimmbecken für Frauen – natürlich nur wegen der kecken Viktoria! Dieses Juwel wurde im Zweiten Weltkrieg von Bomben getroffen und dreißig Jahre später durch das jetzige ersetzt. Keiner redet mehr über dieses Bad (in dem meine Kinder und viele andere mit Freude geplanscht haben) und das vom Rat der Stadt schöde geschlossen wurde – gegen den Widerstand einer Bürgerinitiative. Und schon gar keiner redet vom Stadtmuseum, das im ehemaligen Sauna-Bereich dieses mittlerweile stillgelegten Bades untergebracht ist, aber selbst aus dieser miesen Lage im Fall des Falles vertrieben würde. Was ganz offenbar keinen kratzt.

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Auch ganz schön: Cafe Blau im Foyer des Viktoria-Bades ..

Kann das Selbstbewusstsein einer Stadt eigentlich noch viel tiefer sinken? Hier im historischen Museum wird das gestörte Verhältnis Bonns zu eigenen Geschichte deutlich. Wenigsten was. Es geht also um Bonnbewusstsein. Und jetzt, da gerade in diesem Moment die Freunde des Kommerz doch so knapp wie nur möglich mit 42 zu 41gescheitert sind, kann ja noch mehr passieren. Da sollten wir mal demnächst im Eingedenken der seligen Viki und des Herrn Großkotz im Café Blau ausführlich darüber palavern, wie man wohl diese ihre und unsere Stadt „positiv entwickelt“ ..    bp

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